Philosophie

Moral

Was ist Moral? Der Begriff leitet sich von dem lateinischen mos (Gen. moris) ab, der eigentlich "Sitte" bedeutet. Als Sitten wiederum bezeichnen wir Regeln des allgemeinen Umgangs miteinander zum Zwecke des friedlichen und gedeihlichen Zusammenlebens. Welche Regeln hierzu notwendig sind, darüber herrscht alles andere als Einigkeit und so sind Menschen auf allerlei Ideen gekommen, was als "un"-moralisch zu bewerten sei. Es ist wohl bezeichnend für unsere Kultur, dass ein beträchtlicher Teil dieser Ideen sich um das sexuelle Miteinander drehen.

Darüberhinaus ist Moral aber vor allem Bestandteil einer jeden Ideologie, sei sie politisch, religiös oder sonstwie motiviert. Das Christentum hat ebenso seine Moral, wie der Sozialismus oder der Liberalismus. Das hat dazu geführt, dass die Begriffe "Moral" und "Ideologie" häufig durcheinander gewürfelt werden. Die Nähe der beiden Begriffe zueinander scheint dies zu suggerieren. Moral existiert in erster Linie als "Idee", also als Vorstellung von "Richtig" und "Falsch". Diese Vorstellungen beziehen sich ihrerseits auf Handlungen - geplante und begangene. Moral gibt uns solchermaßen die Grundlage für "Urteile". Die größte Nähe zwischen Ideologie und Moral sehen wir bei Platon, für den die Idee der "Wahrheit" gleichzeitig die Idee des "Guten" ist. Was wahr ist, ist also auch gut. Das Christentum hat dieses Konzept übernommen, was im Mittelalter machtpolitische Konsequenzen hatte, denn der Klerus als Wächter der Wahrheit hatte somit auch das letzte Wort über die Beurteilung von Taten. Auch in der modernen christlichen Dogmatik spielt die Unterscheidung des "wahren" und "wirklichen" Menschen eine Rolle.

Über Sinn und Unsinn von "Moral" wurde ebenso viel gestritten, wie über die "richtige" Moral. Im Zeitalter der "Postideologie" ist "Moral" selbst zu einer moralischen Frage geworden. Liberale Ideologieverächter haben das Thema Moral derart mit Tabus belegt, dass sie stellenweise wie eine anti-ideologische Inquisition wirken. Allenthalben wird über die "Linken", die "Rechten", die "Gutmenschen" und selbst über die "Liberalen" der Stab gebrochen.

Wir scheinen um das Thema "Moral" irgendwie nicht herumzukommen. Jeder von uns hat eine. Jeder handelt nach irgendwelchen Maximen, jeder hat bei seinen Handlungen eine Vorstellung über ihre Konsequenzen und über ihre Ausdruckskraft. Handlungen können etwas bewirken oder auch nur einfach einen Standpunkt beziehen. Moralische Überlegungen sind die Kontrolle und Organisation dieser Handlungen. Sie führen dazu, dass wir uns mit unseren Handlungen identifizieren.

Unmoralische Handlungen sind demzufolge Handlungen, mit denen wir uns nicht identifizieren. Solche, die wir gegen unsere eigenen Grundsätze begehen. Die Überlegung der "Unmoral" führt uns zu dem Gedanken, dass unsere Handlungen verschiedene Quellen von Motiven haben können.

Die Frage, warum wir unmoralische Handlungen begehen ist genauso alt, wie die Frage, was Moral eigentlich ist. Es wäre einfach, Unmoral mit Unwissenheit zu erklären (wie Platon es tat). Andere Erklärungsversuche greifen zurück auf schlechte Erziehung oder einen schlechten Charakter. Die Theologie versteht unter Sünde in erster Linie eine Trennung von Gott, sieht im Schlechten also keine eigene Qualität des "Bösen", sondern eine Abwesenheit des Guten.

Tatsächlich beschreiben wir unmoralische Handlungen häufig mit "un"-Wörtern: "unmoralisch", "ungerecht", "unsozial", "unsolidarisch". Einer der ältesten Begriffe zur Bezeichnung von verachtenswerten Menschen lautet "gottlos".

Trotzdem neigen wir ebenso häufig dazu, dem "Bösen" eine eigene Qualität zu geben. So ist Grausamkeit nicht einfach eine Abwesenheit von Barmherzigkeit. In diesem Fall könnte die Grausamkeit erleidende Person mit der Gleichgültigkeit des Grausamen rechnen. Dennoch scheint der Grausame einen eigenen Antrieb für seine Grausamkeit zu haben.

Doch wie immer man es auch sehen mag. Es gibt niemanden, der ernsthaft behaupten kann, frei von moralischen Überlegungen zu sein, und selbst der verbissenste Zyniker fürchtet um sein Leben und vermeidet Qualen. Und selbst

 

Spaß am Denken

Warum gibt es eigentlich Philosophen? Menschen, welche die Wahrheit mit der Sonne vergleichen (weil sie gleichermaßen erhellend wie schmerzhaft sein kann) und sich den Kopf darüber zerbrechen, was denn eigentlich Gerechtigkeit, Glück, Wissen, das Sein, das Leben oder die Seele sei. Begriffe, die wir alle - ob Philosoph oder nicht - jeden Tag verwenden und den Anspruch erheben, genau zu wissen, wovon wir da eigentlich reden.

Der Philosoph ist demnach ein ziemlich überflüssiger Mensch, denn wer von uns möchte sich von einem Berufstheoretiker schon sagen lassen, ob er gerecht handelt? In der Regel entscheiden wir das dann doch intuitiv. Und selbst, wenn wir unser eigenes Gerechtigkeitsempfinden anzweifeln, so gestehen wir einer anderen Person deswegen noch lange nicht eine größere Kompetenz zu. Nicht selten führt diese Haltung dann weiter in einen völlig unreflektierten Relativismus.

JedEr Philosophie-Studierende hat in seinem Leben schon die Erfahrung gemacht, dass er/sie voller Begeisterung einem Mitmenschen klarmachen wollte, was z. B. Glück bedeutet und bekam die lapidare Antwort: "Aber das weiß ich doch alles!".

Warum also schlagen wir Philosophierende unsere kostbaare Lebenszeit mit solch trockener Lektüre wie "Sein und Zeit", der "Kritik der reinen Vernunft" oder Hegels "Phänomenologie" um die Ohren? Warum halten wir Jürgen Habermas und John Rawls in Gerechtigkeitsfragen für wegweisend? Können wir denn nicht auch ohne Philosophiestudium gerecht sein?

Die Antwort ergibt sich sehr leicht, wenn wir beginnen, beispielsweise unseren Gerechtigkeitsbegriff zu hinterfragen. Was ist denn eigentlich gerecht? Nach welchen Kriterien entscheide ich, ob eine Handlung gerecht ist? Und in der Tat: Wenn wir uns umhören, so scheint alles mögliche gerecht oder ungerecht zu sein: Der Irak-Krieg, "Hartz IV", Pendlerpauschale, das Wahlalter ab 18, gezielte Tötungen von Terroristen...die Liste ließe sich endlos erweitern.

sapere aude

Aber liefern Philosophen hier eindeutige Antworten? Nein! Eigentlich liefern Philosophen nur das Gerüst zum Selberdenken. Platon vertrat die Ansicht, dass wahres Wissen in der Wiedererinnerung bestünde (Anamnesis). Am Sklaven des Menon demonstrierte er diese Theorie und leitete Letzteren bei der Lösung einer Geometrieaufgabe an. Der Clou dieser Geschichte ist, dass die Aufgabe zwar mit logischem Denken zu lösen war, dem ungebildeten Sklaven aber die Begrifflichkeiten, also das theoretische Rüstzeug fehlte, sein Denken auszudrücken. Genau dieses lieferte ihm aber der Philosoph Sokrates.

laus philosophiae

Es ist also nur scheinbar so, dass Philosophen sich mit unnützem Zeug beschäftigen. Wenn wir nämlich heute mit dem Begriff "Gerechtigkeit" auch Begriffe wie Freiheit und Gleichheit verbinden, hier zwischen positiver und negativer Freiheit unterscheiden und in der Lage sind, Relativismen zu erkennen und diese als sinnvoll oder unsinnig zu beurteilen, so ist das alles eine Leistung der Philosophie.

Die Motivation, sich auf diese Art und Weise zu beschäftigen, liegt einerseits genau darin, etwas Nützliches zur Entwicklung der Menschheit beitragen zu können. Auf der anderen Seite werden die meisten Philosophen von einer starken Abneigung gegen Heuchelei und Halbwahrheiten getrieben. Es ist gerade der inflationäre Gebrauch der Begriffe Wahrheit und Gerechtigkeit, der uns umtreibt, und dem wir Einhalt gebieten wollen.

Schließlich macht Denken auch ganz einfach Spaß! Jeder Jogger kennt das Gefühl des Dopaminschubes, der sich während starker körperlicher Anstrengung ereignet. Philosophie ist die Bewegung des Geistes - und verursacht ganz ähnliche Effekte.